Pandemievertrag
Pandemievertrag, Foto: pixabay

Über 190 Staaten haben sich auf einen neuen Vertrag zur Pandemievorsorge geeinigt. Ziel ist es, die Wiederholung chaotischer Zustände wie während der Corona-Pandemie zu verhindern. Die Ratifizierung könnte sich jedoch bis mindestens 2027 hinziehen. Ein Vertrag zur globalen Gesundheitsvorsorge wurde bei der Weltgesundheitsorganisation erarbeitet. Er soll Lieferengpässe verhindern, fairen Zugang zu Impfstoffen sichern und Prävention stärken.

Inhaltsverzeichnis:

Zielsetzung und Schlüsselpersonen

Tedros Adhanom Ghebreyesus und Karl Lauterbach setzen auf schnelle Diagnosen

Zu den wichtigsten Zielen gehören der gerechte Austausch von Ressourcen, die Weitergabe von Technologien sowie eine verbesserte Früherkennung von Ausbrüchen. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn ihn mindestens 60 Staaten ratifizieren. Das kann Jahre dauern.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichneten den Vertrag als historischen Fortschritt. Lauterbach betonte, dass durch den verpflichtenden Austausch von DNA-Sequenzen neuer Erreger lokale Ausbrüche schneller erkannt und eingedämmt werden könnten.

Die EU und internationale Reaktionen

Die EU lobt den Vertrag als Stärkung der weltweiten Gesundheitsarchitektur. Laut dem ungarischen EU-Kommissar Olivér Várhelyi verbessere sich dadurch die Fähigkeit zur Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien erheblich. Besonders die Europäische Union hatte sich für präventive Maßnahmen stark gemacht.

Svenja Schulze, Bundesentwicklungsministerin, betont die Bedeutung von Multilateralismus. Der Vertrag sei ein Zeichen der Solidarität gegen nationalen Egoismus. Die Weltgemeinschaft reagiere damit auf das Scheitern bei der Verteilung von Impfstoffen während der Corona-Krise.

Die Corona-Lehren aus Europa, Afrika und Südamerika

Während der Pandemie setzte jedes Land auf eigene Strategien. Es kam zu Streit um Masken, Medikamente und Impfstoffe. Reiche Länder horteten Ressourcen, während ärmere Regionen leer ausgingen. Während in Europa Drittimpfungen durchgeführt wurden, warteten in Teilen Afrikas Millionen Menschen auf ihre erste Dosis.

Die WHO schätzt, dass durch die Pandemie direkt über 7 Millionen Menschen starben. Zählt man indirekte Opfer wie verzögerte Behandlungen hinzu, sind es bis zu 36 Millionen. Gleichzeitig brachen viele Volkswirtschaften ein, unzählige Kleinunternehmen mussten aufgeben.

Das neue Vertragswerk soll diese Missstände künftig verhindern.

Was sich durch den Vertrag konkret ändert

Der Vertrag beinhaltet vier zentrale Maßnahmen:

  • Prävention: Länder müssen ihre Gesundheitssysteme stärken und Wildtierkontakte besser überwachen. Ziel ist eine frühzeitige Erkennung gefährlicher Erreger.
  • Lieferketten: Jedes Land soll Zugang zu Schutzausrüstung, Impfstoffen und Medikamenten erhalten. Besonders medizinisches Personal wird vorrangig versorgt.
  • Technologietransfer: Pharmaunternehmen sollen ihr Wissen teilen, um Produktionskapazitäten weltweit zu ermöglichen.
  • Forschung: DNA-Daten von Erregern sollen frei verfügbar gemacht werden. Im Gegenzug verpflichten sich Pharmafirmen, 10 % der Produktion an ärmere Länder zu spenden und weitere 10 % günstig anzubieten.

Die technischen Details werden in einem Zusatzprotokoll geregelt, das noch verhandelt werden muss.

Forderungen afrikanischer Staaten und Bedenken der Industrie

Afrikanische Staaten wollten strengere Regeln im sogenannten Pabs-System sowie mehr finanzielle Hilfe zur Stärkung ihrer Gesundheitssysteme. Diese Forderungen fanden jedoch nur teilweise Eingang in den Vertrag. Europäische Staaten drängten dagegen auf striktere Vorgaben bei der Prävention.

Die Pharmaindustrie fordert den Schutz geistigen Eigentums. Laut David Reddy vom internationalen Pharma-Verband IFPMA müsse die Beteiligung freiwillig bleiben. Der Nutzen risikoreicher Investitionen dürfe nicht gefährdet werden.

Die Rolle der USA und Kritik aus Argentinien

Die USA beteiligen sich derzeit nicht aktiv an dem Prozess. Seit dem Austritt unter Donald Trump nehmen sie nicht mehr an den Verhandlungen teil. Der Austritt aus der WHO wird 2026 offiziell. Auch Argentinien verweigert die Zustimmung zum Vertragstext.

Die WHO zählt weiterhin 194 Mitgliedsstaaten. Der Vertrag wird jedoch nur in den Ländern wirksam, die ihn ratifizieren. Sanktionen bei Nichteinhaltung sind nicht vorgesehen.

Missverständnisse und Verschwörungstheorien entkräftet

Gegner des Vertrags behaupten fälschlich, die WHO könne künftig globale Zwangsmaßnahmen verhängen. In sozialen Netzwerken kursieren Behauptungen über Impfpflicht und Reiseverbote durch die WHO. Auch die konservative Schweizer „Weltwoche“ warnt vor einer angeblichen Übermacht der Organisation.

Diese Aussagen sind falsch. Artikel 24 des Vertrags stellt klar: Die WHO darf keine nationalen Gesetze oder Maßnahmen anordnen. Sie kann weder Lockdowns erzwingen noch Impfpflichten einführen. Der Vertrag gilt nur für Staaten, die ihm zustimmen.

Bedeutung für die Zukunft globaler Gesundheits

Der Vertrag ist ein Signal gegen Isolation und für internationale Zusammenarbeit. Er zeigt, dass die Weltgemeinschaft aus der Corona-Krise gelernt hat. Der Schutz aller Menschen, unabhängig vom Wohnort, steht künftig stärker im Fokus.

Zugleich macht der Vertrag deutlich, wie komplex globale Lösungen sind. Unterschiedliche Interessen von Kontinenten, Industrie und Politik erforderten zahlreiche Kompromisse. Doch mit der geplanten Ratifizierung entsteht ein neuer Rahmen, um Gesundheitskrisen schneller und gerechter zu bewältigen.

 Quelle: Osftriesischie Nachrichten