Diabetes mellitus (umgangssprachlich „Zuckerkrankheit“) ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Blutzucker dauerhaft erhöht ist. Insulin ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, das dem Körper ermöglicht, Glukose aus dem Blut in die Zellen aufzunehmen. Ein gestörter Insulinstoffwechsel kann zu Diabetes führen. In Deutschland haben etwa 10 % der Erwachsenen einen diagnostizierten Diabetes. Hauptformen sind der Typ-1-Diabetes (ca. 5–10 % der Fälle, Autoimmunerkrankung mit fehlender Insulinproduktion, meist bei Kindern und Jugendlichen) und der weitaus häufigere Typ-2-Diabetes (ca. 90–95 % der Fälle), der zunächst durch eine Insulinresistenz und später durch Insulinmangel gekennzeichnet ist.
Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes
Bei einer Insulinresistenz reagieren Muskel-, Fett- und Leberzellen nicht mehr ausreichend auf Insulin. Die Bauchspeicheldrüse kompensiert dies zunächst durch erhöhte Insulinausschüttung. Diese Überproduktion kann über Jahre aufrechterhalten werden, bis die insulinbildenden Betazellen erschöpfen und die Insulinproduktion abfällt. Ein relativer Insulinmangel entsteht: Es gelangt immer weniger Glukose aus dem Blut in die Zellen. Dadurch verbleibt mehr Zucker im Blutkreislauf und der Blutzuckerspiegel steigt. Die Skelettmuskulatur nimmt dabei über 80 % der aufgenommenen Glukose auf. Regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining steigert die Insulinsensitivität der Muskelzellen erheblich, sodass der Blutzucker bei Sport sinkt.
Ohne Behandlung führt dieser Prozess zum Typ-2-Diabetes. Meist entwickelt sich die Erkrankung schleichend: Oft liegt bereits lange vor der Diagnose ein Prädiabetes mit leicht erhöhtem Nüchternblutzucker vor. Insulinresistenz tritt häufig im Rahmen eines Metabolischen Syndroms auf, das über Insulinresistenz hinaus Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht umfasst. Langfristig kann unbehandelte Insulinresistenz auch erhöhte Triglyceride, erniedrigtes „gutes“ HDL-Cholesterin und Gefäßschäden begünstigen.
Ursachen und Risikofaktoren
Typ-2-Diabetes entsteht durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren:
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Genetische Veranlagung: Liegt Diabetes in der Familie, steigt das eigene Risiko stark. Vor allem Diabetes bei Eltern erhöht die Wahrscheinlichkeit deutlich.
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Übergewicht (Adipositas): Überschüssiges Fettgewebe – insbesondere am Bauch – schüttet Stoffe aus, die die Insulinwirkung stören und die Entzündungsbereitschaft fördern. Adipositas ist ein sehr starker Prädiktor für Typ-2-Diabetes.
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Übergewicht/Messung: Ein Body-Mass-Index (BMI) über 25 (Übergewicht) erhöht das Diabetes-Risiko, weil Bauchfett die Insulinresistenz steigert.
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Bewegungsmangel: Regelmäßige körperliche Aktivität verstärkt die Glukoseaufnahme durch die Muskeln. Inaktive Menschen entwickeln schneller Insulinresistenz. Schon tägliches Zügig-Gehen oder Treppensteigen wirkt vorbeugend.
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Ungesunde Ernährung: Eine fettreiche, zucker- und kalorienreiche Ernährung begünstigt Diabetes. Studien verbinden großen Konsum von Weißmehlprodukten, rotem/verarbeitetem Fleisch und zuckerhaltigen Getränken mit höherem Typ-2-Risiko. Im Gegenteil senken Vollkorn, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte das Risiko deutlich.
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Metabolisches Syndrom: Eine Kombination aus Insulinresistenz, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen erhöht die Diabetes-Wahrscheinlichkeit stark.
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Alter: Mit steigendem Lebensalter nimmt das Diabetesrisiko zu. Man nennt Typ-2-Diabetes daher auch „Alterszucker“, obwohl immer mehr jüngere Erwachsene erkranken.
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Schwangerschaft: Frauen, die während der Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes entwickeln, haben ein deutlich höheres Risiko, später einen Typ-2-Diabetes zu bekommen.
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Weitere Faktoren: Rauchen, chronischer Stress sowie bestimmte Medikamente (z.B. Glukokortikoide oder einige Psychopharmaka) erhöhen das Diabetes-Risiko zusätzlich.
Symptome und Verlauf
Typ-2-Diabetes verläuft oft sehr schleichend und lange ohne auffällige Beschwerden. Warnzeichen können sein:
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Polydipsie und Polyurie: Starkes Durstgefühl und häufiges Wasserlassen, da überschüssige Glukose mit dem Urin ausgeschieden wird.
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Polyphagie: Erhöhter Appetit, weil die Zellen trotz hohem Blutzuckers mangels Insulin „hungern“.
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Unerklärlicher Gewichtsverlust (insbesondere beim Typ-1 sehr deutlich).
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Müdigkeit und Schlappheit, Konzentrationsstörungen.
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Sehstörungen: Verschwommenes Sehen durch zuckerbedingte Flüssigkeitsveränderungen in der Augenlinse.
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Infektanfälligkeit und langsame Wundheilung.
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Neuropathische Beschwerden: Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Füßen, Händen.
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Hautveränderungen: Dunkle, samtige Hautfalten (Acanthosis nigricans) an Hals oder Achseln können auf Insulinresistenz hinweisen.
Achtung: Eine diabetische Ketoazidose kann insbesondere beim Typ-1-Diabetes lebensbedrohlich sein. Dabei fehlt Insulin völlig, der Körper baut verstärkt Fett ab und bildet saure Stoffwechselprodukte. Symptome sind neben Durst und Müdigkeit oft Übelkeit, Bauchschmerzen und ein süßlicher Acetongeruch des Atems. Dieser Zustand erfordert umgehende ärztliche Behandlung.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch Blutanalysen. Ein Nüchternblutzucker von ≥ 126 mg/dl oder ein HbA1c-Wert ab 6,5 % gilt als diabetisch. Häufig wird zusätzlich ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) durchgeführt: Nach Einnahme einer definierten Glukoselösung wird der Blutzucker nach zwei Stunden gemessen. Liegt der Nüchternwert zwischen 100 und 125 mg/dl oder der HbA1c zwischen 5,7 % und 6,4 %, spricht man von Prädiabetes, einer Vorstufe mit erhöhtem Diabetes-Risiko. Oft finden sich beim Prädiabetes schon leicht gestörte Blutfettwerte (erhöhte Triglyzeride, niedriges HDL).
Da Typ-2-Diabetes lange symptomlos bleibt, sollten Risikopersonen (Übergewicht, familiäre Belastung) ihren Blutzucker regelmäßig kontrollieren lassen. Viele Ärzte empfehlen, ab dem 35. Lebensjahr zumindest alle drei Jahre den Blutzucker messen zu lassen.
Folgeerkrankungen
Ein dauerhaft hoher Blutzucker schädigt Gefäße und Organe. Typische Spätfolgen eines schlecht eingestellten Diabetes sind:
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Herzinfarkt und Schlaganfall: Diabetes beschleunigt die Arteriosklerose der Herz- und Hirngefäße, daher ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark erhöht.
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Diabetische Nephropathie: Schäden an den Nierengefäßen können bis zum Nierenversagen führen.
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Diabetische Neuropathie: Nervenschäden äußern sich durch Schmerzen, Taubheit oder Gefühlsstörungen (meist in Füßen und Beinen).
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Diabetische Retinopathie: Schädigung der Netzhautgefäße mit schwindender Sehkraft bis hin zur Erblindung.
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Diabetisches Fußsyndrom: Kombination aus Neuropathie und schlechter Durchblutung führt zu schlecht heilenden Fußgeschwüren und kann Amputationen notwendig machen.
Studien zeigen, dass ein konsequentes Diabetesmanagement viele Spätkomplikationen verzögern kann. Eine gute Blutzuckereinstellung sowie Normalisierung von Blutdruck und Blutfetten verringern das Risiko deutlich.
Statistiken in Deutschland
In Deutschland haben etwa jeder zehnte Erwachsene Diabetes. Über 90 % dieser Fälle entfallen auf Typ-2-Diabetes. Nach Schätzungen lebten 2015 rund 7,5 Mio. Menschen mit diagnostiziertem Typ-2-Diabetes; Prognosen gehen für 2022 von etwa 8,7 Mio. aus (hinzu kommen viele unentdeckte Fälle). Jährlich erhalten etwa 450.000 Personen neu die Diagnose Typ-2-Diabetes.
Die Inzidenz (Neuerkrankungen) bei Erwachsenen sinkt insgesamt leicht, während sie in jüngeren Altersgruppen zunimmt. Kinder und Jugendliche erkranken in Deutschland noch selten an Typ-2-Diabetes. Beim Typ-1-Diabetes sind derzeit etwa 35.000 Kinder und 340.000 Erwachsene betroffen, die Neuerkrankungen bei Kindern steigen moderat.
Prävention und Lebensstil
Die beste Vorbeugung ist ein gesunder Lebensstil. Wichtige Maßnahmen sind:
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Regelmäßige Bewegung: Mindestens 150 Minuten Sport oder zügiges Gehen pro Woche verbessern die Insulinempfindlichkeit (z. B. Walking, Radfahren oder Schwimmen).
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Alltagsbewegung: Schon kleine zusätzliche Aktivitäten – Treppensteigen, Rad fahren, Hausarbeit – senken den Blutzucker.
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Gewichtsabnahme: Vor allem die Reduktion von Bauchfett verringert das Diabetes-Risiko deutlich. Bereits 5–10 % weniger Körpergewicht können die Insulinresistenz deutlich mildern.
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Gesunde Ernährung: Eine ballaststoffreiche Kost mit viel Gemüse, Obst und Vollkorn, wenig Zucker und Fetten ist empfehlenswert.
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BMI-Messung: Ein Body-Mass-Index über 25 (Übergewicht) geht oft mit Bauchfett einher und erhöht das Diabetes-Risiko.
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Nichtrauchen und mäßiger Alkohol: Rauchen schädigt die Gefäße, Alkohol nur in Maßen trinken.
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Ausreichend Schlaf und Stressabbau: Chronischer Stress und Schlafmangel erhöhen ungünstig den Blutzucker. Entspannungstechniken können helfen.
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Früherkennung: Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt (z.B. Check-ups) erlauben, einen Prädiabetes frühzeitig zu entdecken.
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Risikotests: Online-Diabetes-Risiko-Fragebögen (z.B. der Deutschen Diabetes-Stiftung) können eine erste Einschätzung liefern.
In internationalen Studien senkten intensive Diät- und Bewegungsprogramme das Risiko, von Prädiabetes zu Typ-2-Diabetes zu übergehen, um rund 50 %. In Deutschland unterstützen Disease-Management-Programme und Schulungsangebote Menschen mit erhöhtem Risiko bei der Vorbeugung.
Ernährung bei Diabetes
Eine ausgewogene Ernährung ist zentral für Prävention und Therapie. Empfohlene Punkte sind:
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Viel Vollkorn und Ballaststoffe: Vollkornbrot, Haferflocken, Hülsenfrüchte und Gemüse verlangsamen den Blutzuckeranstieg. Ballaststoffe halten lange satt und fördern die Darmgesundheit.
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Reichlich Gemüse und Obst: Frisches Gemüse enthält wenig Kalorien, viele Nährstoffe. Obst in maßvollen Mengen (ganze Früchte statt Säfte) liefert Vitamine.
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Magere Proteine: Fettarme Milchprodukte, Geflügel oder Fisch bieten Eiweiß ohne viel gesättigte Fette. Fettfische (z.B. Lachs, Makrele) enthalten wertvolle Omega-3-Fettsäuren.
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Gesunde Fette: Olivenöl, Rapsöl, Nüsse und Avocado liefern ungesättigte Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken. Diese statt Butter oder Sahne verwenden.
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Keine „leeren“ Kohlenhydrate: Zucker, Süßigkeiten, Limonaden sowie Weißmehlprodukte treiben den Blutzucker stark in die Höhe und fördern Übergewicht. Diese Lebensmittel erhöhen das Diabetes-Risiko deutlich.
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Regelmäßige Mahlzeiten: Mehrere kleinere Mahlzeiten oder drei ausgewogene Hauptmahlzeiten vermeiden starke Blutzuckerschwankungen.
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Glykämischer Index: Lebensmittel mit niedrigem GI (z.B. Hülsenfrüchte, Vollkorn) lassen den Blutzucker langsamer ansteigen. Weißbrot, Kartoffeln und Süßes haben hohen GI.
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Insulinportionen abschätzen: Diabetiker lernen in Schulungen, Kohlenhydrate in Brot-/Kohlenhydrateinheiten zu zählen, um die Insulindosis richtig anzupassen.
Therapie und Behandlung
Besteht Diabetes, ist neben Lebensstil oft medikamentöse Behandlung erforderlich:
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Metformin: Erstlinientherapie beim Typ-2-Diabetes. Senkt die Glukoseproduktion der Leber und verbessert die Insulinwirkung.
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GLP-1-Rezeptor-Agonisten: Moderne Wirkstoffe (z.B. Liraglutid, Semaglutid) steigern die Insulinausschüttung nach Mahlzeiten und verringern den Appetit. Sie senken oft auch das Gewicht.
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SGLT2-Inhibitoren: Hemmen die Zucker-Rückresorption in der Niere, sodass Glukose verstärkt ausgeschieden wird. Sie senken zusätzlich leicht den Blutdruck.
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Insulin: Bei fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes oder bei Typ-1-Diabetes ist eine Insulintherapie erforderlich. Insulin wird über Spritze oder Pumpe verabreicht, um den fehlenden Effekt auszugleichen.
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Remission: Mit sehr konsequentem Lebensstil (strenge Diät, viel Sport) können manche Typ-2-Patienten Werte erreichen, bei denen der Diabetes vorübergehend nicht mehr nachweisbar ist. Dies erfordert jedoch dauerhafte Verhaltensänderungen.
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Bariatrische Operation: Bei extremer Adipositas kann eine Magenverkleinerung (z.B. Magenbypass) in Betracht gezogen werden. Häufig führt dies zu dramatischem Gewichtsverlust und kann Typ-2-Diabetes deutlich verbessern oder sogar vorübergehend heilen.
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Glukose-Selbstkontrolle: Viele Patienten messen regelmäßig zu Hause ihren Blutzucker oder nutzen kontinuierliche Glukosesensoren (CGM), um Schwankungen früh zu erkennen.
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Typ-1-Diabetes: Patienten mit Typ-1-Diabetes sind von Beginn an insulinpflichtig. Sie spritzen lebenslang Insulin (mittels Pen oder Pumpe), da ihre Bauchspeicheldrüse keines mehr produziert.
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Begleitende Maßnahmen: Regelmäßige Kontrollen der Augen, Nieren und Füße sowie Blutzucker, Blutdruck und Blutfette sind essenziell. Diabetes-Schulungen und Beratung vermitteln den Betroffenen Wissen zur Ernährung, Bewegung und Insulinanpassung, was die Lebensqualität verbessert. Viele profitieren auch von einer engen Betreuung durch Diabetesberater:innen und Ernährungsfachkräfte.
Für alle Diabetesformen gilt: Gute Blutzuckerkontrolle (tägliche Messung, HbA1c im Zielbereich) und Behandlung von Begleiterkrankungen (Blutdruck, Cholesterin) senken das Risiko für Folgekrankheiten.
QUELLE:
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diabinfo.de – Diabetes in Deutschland – Zahlen und Fakten
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Bundesgesundheitsministerium (BMG) – Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2
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Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD) – Ursachen des Typ-2-Diabetes
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diabinfo.de – Was ist eine Insulinresistenz? Stiftung Gesundheitswissen – Diabetes Typ 2: Ursachen, Diagnose und Verlauf der „Zuckerkrankheit“
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diabinfo.de – Typ-2-Diabetes: Ernährung