Die Qualität vieler Schulen in der Bundesrepublik hat seit 2013 spürbar nachgelassen. Laut Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft ist der Gesamtwert von 100 auf 72 Punkte gesunken. Besonders gravierend sind die Probleme in der Integration und Sprachförderung. Mehrere Schulleitungen, darunter Barbara Mächtle aus Ludwigshafen-Hemsdorf, schlagen Alarm.
In der folgenden Übersicht werden zentrale Probleme beschrieben. Dazu gehören:
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mangelnde Deutschkenntnisse bei Erstklässlern
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zu wenig Lehrpersonal
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fehlende finanzielle Mittel
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Überforderung durch gesellschaftliche Einflüsse
Barbara Mächtle und die Lage in Ludwigshafen-Hemsdorf
Barbara Mächtle leitet die Gräfenauschule in Ludwigshafen-Hemsdorf. Dort mussten im vergangenen Schuljahr rund 25 Prozent der Erstklässler die Klasse wiederholen. Knapp 40 Kinder dürfen nicht aufsteigen. Die Rektorin erklärt, viele ihrer Schüler beherrschten höchstens 100 deutsche Wörter. Das reiche weder zum Lesen noch zum Schreiben.
Das Hauptproblem sei die fehlende Sprachbasis. Diese Kinder könnten dem Unterricht nicht folgen. Auch in Mathematik oder Sachkunde zeigten sich große Lücken. Mächtle lehnt es ab, Schüler mit gravierenden Defiziten zu versetzen. Sie verweist auf langfristige Folgen: Wer zu früh durchgewinkt werde, habe später kaum Chancen.
Die soziale Struktur des Stadtteils verschärft die Situation. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt bei 98 Prozent. Viele Familien sprechen zu Hause ausschließlich Arabisch oder Russisch. Auf Spielplätzen, in Supermärkten und auf der Straße hören die Kinder ebenfalls kein Deutsch. In solchen Milieus gibt es kaum Berührung mit der Landessprache. Die Folge ist eine nahezu vollständige Abschottung.
Integration ohne gemeinsame Sprache scheitert
Laut Bildungsmonitor sank der Integrationswert der Schulen von 100 auf 56 Punkte. Damit halbierte sich die Qualität in diesem Bereich fast. Die Lehre leidet. Es fehlt an einer gemeinsamen Verständigungsbasis. Integration gelingt nur, wenn Schüler miteinander sprechen können.
In der Bundesrepublik sprechen laut Statistischem Bundesamt 77 Prozent der Haushalte ausschließlich Deutsch. Nur 6 Prozent sprechen überhaupt kein Deutsch. Doch in bestimmten Städten und Stadtteilen häufen sich die Ausnahmen. Dort konzentrieren sich sprachfremde Kinder, was den Unterricht massiv erschwert.
Das Institut der deutschen Wirtschaft stellt in seinem Bildungsmonitor fest:
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Gesamtwert 2013: 100 Punkte
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Gesamtwert 2023: 72 Punkte
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Integrationswert: Rückgang von 100 auf 56 Punkte
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Verbesserungen bei Internationalisierung, Infrastruktur und Betreuung
Trotz dieser Fortschritte verschlechterte sich das Gesamtergebnis. Der Hauptgrund liegt in der mangelnden Integration.
Andreas Baudisch und die Folgen des Lehrermangels
Andreas Baudisch leitet die Humboldt-Grundschule in Mannheim. Auch er sieht gravierende Überlastung. Die Klassen sind zu groß. Lehrer müssen zusätzliche Aufgaben übernehmen. Dazu zählen Medienbildung, Verkehrserziehung und Inklusion. Gleichzeitig steigt die Zahl der Kinder mit besonderem Förderbedarf.
Seit 2015 kamen deutlich mehr Kinder an die Schulen als erwartet. Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft nennt die Flüchtlingsbewegung ab 2015 und den Ukraine-Krieg ab 2022 als Hauptursachen. Dadurch fehlen Lehrer in großer Zahl. Die bestehenden Kräfte stoßen an ihre Grenzen.
Ein weiteres Problem ist der demografische Wandel. Viele Lehrer gehen in den nächsten Jahren in Rente. Nachwuchs fehlt. Zwar gibt es Quereinsteiger, doch ein Drittel von ihnen bricht nach wenigen Monaten ab. Damit bleibt die Personaldecke dünn. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Die Politik reagiert mit Frühdiagnosen. CDU und SPD einigten sich auf verpflichtende Sprach- und Entwicklungsdiagnostik für Vierjährige. Bisher gibt es diese Tests nur in einigen Bundesländern. Sie sollen helfen, Sprachprobleme frühzeitig zu erkennen. Kindergärten und Eltern könnten dann gezielt fördern.
Katja Giesler fordert mehr Unterstützung
Katja Giesler ist Personalrätin an der Geschwister-Scholl-Schule in Wiesbaden-Klarenthal. Dort besitzen 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. Giesler hält die Aufgaben für lösbar, wenn ausreichend Mittel bereitstehen. Doch genau daran fehlt es. Nicht alle Lehrer seien ausgebildet. Förderschulkräfte seien rar. Sozialpädagogen ebenso.
Giesler initiierte eine Überlastungsanzeige. 40 weitere Schulen aus dem Raum Wiesbaden schlossen sich an. Das Ziel: zeigen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Giesler betont, dass das Problem systemisch ist.
Als mögliche Maßnahmen nennt sie:
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zwei verpflichtende Kita-Jahre
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kleinere Klassen
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ausgebildetes Personal
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gezielte Sprachförderung
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mehr Sozialpädagogen
All das kostet Geld. Bleibt jedoch alles wie bisher, steigen die Folgekosten. Giesler warnt vor langfristigen Schäden. Wer heute nicht investiert, zahlt später doppelt.
Bernd Siggelkow warnt vor Hass und digitaler Überforderung
Bernd Siggelkow ist evangelischer Pfarrer und Gründer der Hilfsorganisation „Die Arche“ in Berlin-Hellersdorf. Seit 30 Jahren unterstützt er dort benachteiligte Kinder. Er beobachtet zunehmende negative Einflüsse durch digitale Medien. Kinder konsumieren Inhalte mit Gewalt, Pornografie und Hass. Viele Eltern können oder wollen nicht gegensteuern.
Siggelkow berichtet von Hetze gegen Ausländer, Frauen, Muslime und Juden. Fehlt die Korrektur durch das Elternhaus, bleiben Kinder diesen Einflüssen ausgesetzt. Manche entwickeln Feindbilder gegen Staat und Gesellschaft. Andere verlieren jede Motivation für Bildung.
Diese Einstellungen tragen die Kinder in die Schule. Lehrer stehen dann vor zusätzlichen Herausforderungen. Auch Medienkompetenz wird gefordert. Doch wenn Grundschullehrer auch noch digitale Gefahren erklären müssen, sind sie überfordert. Die Belastung wächst weiter.
Siggelkow fordert wie Giesler verpflichtende Vorschuljahre und mehr Personal. Frühzeitige Förderung könne helfen, soziale Defizite auszugleichen. Der Nutzen wäre doppelt: Die Kinder profitieren. Und die Lehrkräfte werden entlastet.
Die Schulen im Kreislauf der Überlastung
Am Ende zeigt sich ein Kreislauf. Fehlende Sprachkenntnisse erschweren die Integration. Der Lehrermangel verschärft die Lage. Fehlende finanzielle Mittel behindern gezielte Förderung. Negative Einflüsse aus dem digitalen Umfeld verstärken die Probleme.
Viele Experten fordern zwei zentrale Maßnahmen:
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Mehr qualifiziertes Lehrpersonal
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Deutlich höhere finanzielle Investitionen in Bildung
Doch beides ist schwer umzusetzen. Deutschland hat zu wenig junge Menschen. Auch Zuwanderung ist politisch umstritten. Quereinsteiger halten oft nicht durch. Bleibt alles wie es ist, bleibt auch der Rückgang der Schulqualität bestehen.
Die aktuellen Zahlen des Bildungsmonitors sprechen eine klare Sprache. Ein Rückgang um 28 Punkte seit 2013 ist ein deutliches Warnsignal. Schulen stehen vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Ob sie diese bewältigen, hängt von entschlossenen Entscheidungen ab.
Quelle: Focus